Seien Sie ehrlich: Hatten Sie als Recruiter* nicht auch schon einmal einen Lebenslauf in der Hand, den Sie nichtssagend fanden? Oder gar ein Massen-Bewerbungsschreiben, bei dem offensichtlich nur der Name (und vielleicht nicht mal dieser) ausgetauscht wurde?
Ein Grund für solche Situationen ist die Komplexität der Bewerbersuche. Auf der anderen Seite sind sie auch darin begründet, dass der klassische Bewerbungsprozess – ganz unter uns – reichlich verstaubt ist.
Lebenslauf und Motivationsschreiben sind einfach nicht immer ausreichend, um die Qualifikationen eines Bewerbers beurteilen zu können. Gerade bei Berufseinsteigern mit wenig Erfahrung ist es schwierig, die tatsächlichen Kompetenzen aus dem Lebenslauf abzulesen. Das liegt auch daran, dass Anschreiben und Lebenslauf nicht immer frei von Halbwahrheiten sind – Stichwort: „Ich schreib mal das, was sie hören wollen.“
Eine klare Erfolgsformel für den Weg aus der „Bewerbungskrise“ gibt es nicht. Einen spannenden Ansatz bietet jedoch eine neue Entwicklung in der Recruiting-Welt. Haben Sie schon mal von „Gamification“ gehört? Nein? Dann lassen Sie uns ein Spiel spielen!
Stellen Sie sich vor, Sie könnten bei einem Bewerber schon im Vorhinein sehen, wie er oder sie ein Problem in der Praxis lösen würde.
Im Prinzip ist das auch schon die Überleitung zum Thema „Gamification im Recruiting“. Denn Gamification bedeutet nichts anderes, als spieltypische Elemente und Vorgänge in spielfremde Zusammenhänge zu übertragen.
Das kann in der Praxis aussehen wie in der Stockholmer U-Bahn. Dort verwandelten Aktivisten die Treppe kurzerhand in ein überdimensionales Piano, um Pendler zum Verzicht auf die Rolltreppe zu bewegen. Der Spieltrieb sorgte dafür, dass unzählige Passanten sich lieber an einer improvisierten Treppen-Melodie beteiligten, als bequem mit der Rolltreppe zu fahren.
Auch im Recruiting bietet Gamification unzählige kreative Ansätze, um Talente spielerisch in den Bewerbungsprozess einzubinden.
Gamification im Recruiting hat viele Gesichter. Es geht nicht um ein bestimmtes Spiel, sondern um die Idee, den Bewerbungsprozess durch spielerische Elemente aufzulockern.
Das können kleine Computerspiele oder Online-Aufgaben genauso sein wie ein Quiz, eine Programmieraufgabe oder ein Simulations-Game. Zum Bespiel beweisen sich Bewerber bei Siemens im virtuellen „Plantville“ als Facility Manager. Beim Recruiting-Game „My Marriott Hotel“, der bekannten Hotelkette, führen Kandidaten virtuell ihr eigenes Hotel.

Auch Magyar Telekom, die ungarische Tochter der Deutschen Telekom, bedient sich in ihrem Bewerbungsprozess des Gamification-Prinzips. Dem Unternehmen geht es dabei vor allem darum, Millennials zu „ködern“ und Talente mit wenig Berufserfahrung besser beurteilen zu können.
Keine Frage: Gamification-Elemente bringen Abwechslung in den oft öden Bewerbungsprozess. Davon haben jedoch nicht nur die Bewerber etwas. Denn die Games bringen für Recruiter eine neue Beurteilungsebene ins Spiel. Sie sind ein probates Mittel, um kreatives Denken, Problemlösungskompetenz und andere Qualifikationen eines Bewerbers zu testen.
An sich ist das Vorab-„Testen“ von Kandidaten im Recruiting kein neuer Ansatz. Auch Assessment Center schlagen seit Jahren in dieselbe Kerbe. Gamification-Elemente haben jedoch den Vorteil, dass sie zeitsparender eingesetzt werden können. Außerdem werden sie durch ihren Spielcharakter potenziell positiver wahrgenommen als die „Test-Situation“ in Assessment Centern.
Gamification als Gamechanger im Recruiting? Gut möglich! Denn mithilfe von spielerischen Elementen lassen sich sowohl direkte als auch indirekte Vorteile für Ihr Unternehmen ableiten.

Wie alles im Leben hat auch Gamification nicht nur Vorteile. Auch wenn es auf den ersten Blick so aussehen mag: Online-Games sind keine Wundermittel, um automatisch den oder die beste Kandidatin für eine Stelle zu finden. Wer im Recruiting-Prozess auf spielerische Elemente setzen möchte, sollte sich eines bewusst machen: Gamification macht nur Sinn, wenn es durchdacht und professionell umgesetzt wird. Es ist nicht damit getan, die Bewerber online das Unternehmenslogo puzzeln zu lassen.
Das Spiel sollte …
Dafür braucht es nicht ein willkürliches Online-Spielchen, sondern ein durchdachtes Konzept.
* Um unsere Texte möglichst lesefreundlich zu gestalten, verzichten wir darin auf die gleichzeitige Verwendung von männlichen und weiblichen Sprachformen. Dennoch ist uns wichtig, dass sich alle von uns angesprochen fühlen. Daher verwenden wir die männliche und die weibliche Form im Wechsel. Damit sind immer alle anderen Formen gleichermaßen mitgemeint.








