Die Zukunft des Recrui­t­ings: Inter­view mit Sven­ja Hofert

Alexandra Rupacher
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10. Oktober 2019 Lesezeit 12 Minuten
Wer fit für die Arbeits­welt von mor­gen sein will, muss die gemüt­li­che Kom­fort­zo­ne ver­las­sen und sich auf fun­da­men­ta­le ​„Minds­hifts“ ein­las­sen. Aber was bedeu­tet das fürs Recrui­t­ing? Wir haben die Manage­ment- und Kar­rie­re­be­ra­te­rin Sven­ja Hofert zum Inter­view gebeten.

Inhalt

    Sven­ja Hofert ist nicht nur Bera­te­rin, son­dern auch eine der bekann­tes­ten und erfolg­reichs­ten Autorin­nen im deutsch­spra­chi­gen Raum, wenn es Manage­ment- und Kar­rie­re­the­men geht. Bereits 35 Bücher hat sie in den letz­ten 20 Jah­ren geschrie­ben. Aktu­ell wid­met sie sich schwer­punkt­mä­ßig der Fra­ge, wel­che Fol­gen die Digi­ta­li­sie­rung für den Arbeits­markt hat und wie wir uns als Men­schen wei­ter­ent­wi­ckeln kön­nen, um das Bes­te aus den vie­len Ver­än­de­run­gen zu machen, die unauf­halt­sam vor sich gehen.

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    Fit für die Zukunft: Shifts statt Updates

    In ihrem neu­es­ten Buch ​“Minds­hift” beschreibt Sven­ja Hofert sehr lesens­wert und inspi­rie­rend, was uns die Arbeits­welt der Zukunft abver­lan­gen wird. Sie baut dabei auf neu­es­te ent­wick­lungs­psy­cho­lo­gi­sche und neu-robio­lo­gi­sche Erkennt­nis­se sowie ihre jahr­zehn­te­lan­ge Erfah­rung als Bera­te­rin, Speake­rin und Autorin auf. Bereits auf den ers­ten Sei­ten des Buches macht sie deut­lich, dass ein schlich­tes ​„Update“ des Bestehen­den nicht aus­reicht, um fit für die Zukunft zu sein – son­dern, dass wir uns tat­säch­lich ver­än­dern, wei­ter­ent­wi­ckeln, auf etwas völ­lig Neu­es ein­las­sen sollten. 

    Dass das aber über­aus posi­tiv zu sehen ist, wird bei Sven­ja Hofert schnell deut­lich: In einer Zukunft, in der wir mit Künst­li­cher Intel­li­genz koope­rie­ren, kön­nen wir uns wie­der auf jene Stär­ken besin­nen, die uns Men­schen aus­ma­chen und die so schnell kein Com­pu­ter über­neh­men kann – zum Bei­spiel Empa­thie, Krea­ti­vi­tät, Intui­ti­on. Fach­wis­sen wird in Zukunft etwa weni­ger wich­tig sein als die Fähig­keit, krea­ti­ve Ver­bin­dun­gen zwi­schen The­men und Wis­sens­be­rei­chen her­zu­stel­len.

    Aber was bedeu­tet das für das Recrui­t­ing der Zukunft? Wie fin­det man Mit­ar­bei­ter, die die Kom­pe­ten­zen der Zukunft mit­brin­gen? Und wer­den irgend­wann Com­pu­ter Recrui­tern den Job weg­neh­men? Wir haben Sven­ja Hofert zum Inter­view gebe­ten und span­nen­de Ant­wor­ten erhalten.

    Recruiting verändert sich
    Svenja Hofert ermutigt dazu, sich auf die Veränderung einzulassen & sich auf die menschlichen Stärken zu besinnen.

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    Interview mit Svenja Hofert: Wie wird sich Recruiting verändern müssen?

    eRe­crui­ter: In Ihrem Buch ​„Minds­hift“ schrei­ben Sie, dass die anste­hen­den Ver­än­de­run­gen in der Arbeits­welt uns einen ech­ten ​„Shift“ abver­lan­gen – und ein ​„Update“ des Bestehen­den nicht mehr aus­reicht. Wel­che Shifts sind aus Ihrer Sicht fürs Recrui­t­ing wesent­lich? Wie muss sich das Recrui­t­ing ver­än­dern, damit Unter­neh­men die rich­ti­gen Mit­ar­bei­ter haben, um den Wan­del erfolg­reich mit­ge­stal­ten können?

    Sven­ja Hofert: Wie alle ande­ren Berei­che digi­ta­li­siert sich auch das Recrui­t­ing. Damit ver­än­dern sich nicht nur die bis­he­ri­gen Funk­tio­nen und Job­pro­fi­le inner­halb von HR, son­dern auch das Ver­hält­nis zum Bewer­ber. Recrui­ter brau­chen in Zukunft noch mehr über­grei­fen­des tech­ni­sches Ver­ständ­nis, zugleich aber die Fähig­keit zu Bezie­hungs­auf­bau und Empa­thie. Ich glau­be nicht, dass z.B. Chat­bots wirk­lich mehr sein wer­den als ​„Aus­sor­tie­rer“. Die wirk­lich wich­ti­gen, inter­es­san­ten Kan­di­da­ten agie­ren nicht mit einem Modul bei Face­book – sie sind nicht (mehr) bei Facebook.

    Es gilt, an ganz vie­len Stel­len über den Tel­ler­rand zu schau­en, viel mehr im Team und co-krea­tiv Ide­en zu ent­wi­ckeln – wo doch Recrui­ter bis­her ein ziem­li­cher Ein­zel­job war. Kurz­fris­ti­ges Den­ken zahlt sich ganz gewiss nicht mehr aus, wenn man sich anschaut wie lan­ge es dau­ert, bis ein Kan­di­dat ein gutes Pro­fil ent­wi­ckelt hat und wie sehr er oder sie die Wahl hat und noch mehr haben wird. Das braucht Ide­en jen­seits des Stan­dards, den man sich so auf Kon­gres­sen und in Bar­camps einholt.

    Fle­xi­bles Den­ken, Neu­gier, Empa­thie – all das, was Com­pu­ter nicht mit­brin­gen, wer­den jetzt essen­ti­ell. Zugleich darf der Algo­rith­mus dem Recrui­ter kein X für ein U vor­ma­chen – man muss durch­schau­en, was da pas­siert und wie Daten­ana­ly­sen und Peop­le Ana­ly­tics ent­ste­hen, was also über­haupt aus­ge­wer­tet wird. Das ist eine Rie­sen­bau­stel­le an nöti­ger Lern­er­fah­rung, denn die bis­he­ri­gen BWL- oder Per­so­nal­ma­nage­ment-Stu­di­en­gän­ge sind über­haupt nicht dar­auf aus­ge­rich­tet. Das bis­he­ri­ge Den­ken inklu­si­ve die die­se för­dern­den Anreiz­sys­te­me lau­fen dem auch dia­me­tral entgegen.

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    Die Skills der Zukunft im Bewerbungsgespräch

    Sie schrei­ben, dass Fach­wis­sen an Bedeu­tung ver­liert und mensch­li­che Fähig­kei­ten wie Krea­ti­vi­tät, Intui­ti­on, Empa­thie wich­tig wer­den. Die­se Fähig­kei­ten sind nicht so leicht in einem Lebens­lauf nach­weis­bar. Wie kön­nen Recrui­ter in einem Bewer­bungs­ge­spräch fest­stel­len, ob jemand über die­se Fähig­kei­ten verfügt?

    In einem Bewer­bungs­ge­spräch kann man sol­che Din­ge schwer fest­stel­len, das braucht eine ​„Live­schal­tung“ und die sehe ich auch nicht im Assess­ment Cen­ter. Ich den­ke es wird immer wich­ti­ger, Mög­lich­kei­ten zu fin­den, um aus­pro­bie­ren zu kön­nen, ob und wie jemand passt. Viel­leicht hel­fen Simu­la­tio­nen oder 3D-Tech­nik, aber sicher nicht allein.

    Die Gren­zen sind bei den bis­he­ri­gen Instru­men­ten sehr eng gezo­gen. Die gan­ze Eig­nungs­dia­gnos­tik ist auf eine Effi­zi­enz­welt mit Ein­zel­in­di­vi­du­en aus­ge­rich­tet. Ein Team ist aber viel mehr als die Sum­me sei­ner Mit­glie­der – oder viel weni­ger. Ich wür­de Bewer­bungs­ge­sprä­che im bis­he­ri­gen Sin­ne nur noch als maxi­mal ein Puz­zle­stein­chen sehen.

     
    Wir haben nicht nur verlernt, neugierig zu sein, sondern auch, die anderen bewertungsfrei anzunehmen.
    Svenja Hofert Autorin & Beraterin

    Es muss dar­um gehen, zu erle­ben, wie jemand in einem Team arbei­tet – und zwar in einem spe­zi­el­len. Das, was hier klappt, kann dort über­haupt nicht funk­tio­nie­ren. Ganz vie­le, sehr unter­schied­li­che und auch ver­schie­de­nen Kul­tur­krei­sen und Denk­sys­te­men ent­sprin­gen­de Typen müs­sen sich ver­stän­di­gen kön­nen – das ist wahn­sin­nig kom­plex, denn Men­schen nei­gen dazu, sich nur über das aus­zu­tau­schen, was eh alle wis­sen. Und wir haben nicht nur ver­lernt, neu­gie­rig zu sein, son­dern auch die ande­ren bewer­tungs­frei anzu­neh­men, als Sub­jek­te. Das Recrui­t­ing geht ja schon tra­di­tio­nell ganz viel über Bewer­tung – doch in kom­ple­xen Zusam­men­hän­gen ver­liert sich der Ursa­che-Wir­kungs-Zusam­men­hang. Es braucht auch bei­spiels­wei­se den Blick auf Gruppendynamiken.

    Talent­ma­nage­ment basiert oft auf einer Ana­ly­se der bis­her ​„nütz­li­chen“ Kom­pe­ten­zen. Doch sind es die, die auch in die Zukunft füh­ren? Da habe ich Zweifel.

    Sie ermu­ti­gen in Ihrem Buch dazu, Din­ge in Fra­ge zu stel­len, quer zu den­ken. Aber wie team­fä­hig sind Quer­den­ker? Brau­chen wir künf­tig ande­re emo­tio­na­le Skills, damit die Zusam­men­ar­beit im Team funktioniert?

    Wich­tig ist, den Quer­den­ker vom Quer­schlä­ger zu unter­schei­den. Jedes Team braucht Leu­te, die über den Tel­ler­rand den­ken kön­nen, aber pro­duk­tiv und sozi­al sind. Kom­mu­ni­ka­ti­on muss ein neu­es Level errei­chen und Erkennt­nis­se aus der Ver­hal­tens­öko­no­mie und Sozi­al­psy­cho­lo­gie berück­sich­ti­gen. Sinn­voll ist bei­spiels­wei­se, Ein­zel- und Team­ar­beit zu kom­bi­nie­ren und neue Struk­tu­ren ein­zu­füh­ren, die Kom­mu­ni­ka­ti­on auf eine ande­re Art und Wei­se ermöglichen.

    Bei­spiel: Es steht eine Ent­schei­dung an. Bis­her ent­schied einer oder die Grup­pe stimm­te ab. Dabei kommt nicht alles Wis­sen zum Tra­gen, das das Team hat. Bes­ser wäre bei­spiels­wei­se fol­gen­de Vor­ge­hens­wei­se: Erst über­legt jeder für sich, was er für die Ent­schei­dung ein­brin­gen kann, dann unter­hält sich ein Tan­dem über die­se Erkennt­nis­se und ver­dich­tet, schließ­lich bil­det sich ein Vie­rer­team, dann kom­men Acht zusam­men und so wei­ter… Ziel ist immer die Ver­dich­tung und Wei­ter­ent­wick­lung des­sen, was sich durch sol­che For­ma­te zeigt. Das ist ein ganz ande­res als das gewohn­te Vorgehen.

    Roboter werden Recruiter nicht ersetzen
    Ein Recruiting Roboter? So schnell wird Sie eine Künstliche Intelligenz nicht ersetzen können.

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    Keine Angst vor der Digitalisierung

    Bei vie­len Men­schen lösen die vie­len Ver­än­de­run­gen, die die Digi­ta­li­sie­rung mit sich bringt, Ver­un­si­che­rung oder gar Ängs­te aus. War­um ist für Sie die Digi­ta­li­sie­rung kei­ne Bedro­hung, son­dern eine Chan­ce? War­um lohnt es sich aus Ihrer Sicht, die Kom­fort­zo­ne des Ver­trau­ten zu verlassen?

    Wir haben die Chan­ce, eine bes­se­re Arbeits­welt zu schaf­fen und Com­pu­ter als Part­ner zu nut­zen. Dann kann das eine Befrei­ung von kör­per­li­cher Arbeit und lang­wei­li­ger Rou­ti­ne sein. Wir Men­schen sind nun mal kei­ne guten Rechen­ma­schi­nen, wir den­ken nicht expo­nen­ti­ell. Aber wir sind eben so erzo­gen wor­den, dass das Ana­ly­ti­sche als wich­ti­ger bewer­tet wird als das Empa­thi­sche und Krea­ti­ve. Das ist völ­lig ver­rückt in die­sem Paradigmenwechsel! Es macht Freu­de, krea­tiv zu sein. Kin­der sind schon von Natur aus neu­gie­rig, Erwach­se­ne haben das kom­plett ver­lernt. Sie sehen sich oft als fixiert und ​„fer­tig“ an. Doch wer begreift, dass er sich selbst und sein Umfeld gestal­ten kann, wer sich auf das Mensch­sein besinnt, gewinnt unend­lich viel Lebens­qua­li­tät – und Auto­no­mie. Aber, wer sich bis­her über all das defi­nier­te, was jetzt lang­sam über­flüs­sig wird, muss ganz schön umdenken.

     
    Wir haben die Chance, eine bessere Arbeitswelt zu schaffen!
    Svenja Hofert Autorin & Beraterin

    Den­ken Sie, dass künf­tig Com­pu­ter Per­so­na­ler erset­zen können?

    Com­pu­ter sicher nicht, aber ande­re Berufs­grup­pen könn­ten die oft kon­ser­va­ti­ven Per­so­na­ler ver­drän­gen. Funk­tio­na­le Gren­zen im Unter­neh­men lösen sich auf, die Wert­schöp­fungs­ket­te tritt ins Zen­trum. Per­so­na­ler müs­sen es schaf­fen, ihre Posi­ti­on neu zu defi­nie­ren, sonst wer­den ihnen ITler den Job weg­neh­men. Ich erle­be es, dass Per­so­nen aus der IT-Abtei­lung ihr Inter­es­se für Psy­cho­lo­gie und Mensch ent­de­cken – eben weil sie mer­ken, dass das das ist, was bleibt, wenn Maschi­nen einen Groß­teil der Arbeit über­neh­men. Sie sehen das oft als Chan­ce für sich selbst. Per­so­na­ler ver­lie­ren damit eine Kern­kom­pe­tenz, wenn sie es nicht schaf­fen, den Link zum Digi­ta­len auf­zu­bau­en und sich als ernst­zu­neh­men­de Bera­ter zu posi­tio­nie­ren. Ein lächer­li­cher Chat­bot ist dage­gen so ganz und gar kei­ne Gefahr. Nur sieht die­sen Punkt der­zeit fast keiner.

    Vie­len Dank für das Interview! 

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