Inhalt
Welche Fehler machen Startup Gründer häufig, wenn es um das Thema Recruiting geht? Einer, der uns darauf eine kompetente Antwort geben kann ist Daniel Laiminger, Co-Founder und Geschäftsführer bei hokify. hokify ist ein Startup, das 2015 als JobSwipr GmbH gegründet wurde und mittlerweile rund 40 Mitarbeiter zählt. Außerdem ist hokify ein Partner von eRecruiter.
Im Interview erzählt uns Daniel von seinen Erfahrungen im Recruiting – und teilt uns auch seine Meinung zum Thema Fachkräftemangel mit.
1
Nur wer weiß, was er sucht, wird auch fündig
Interview mit Daniel Laiminger
eRecruiter: Was sollten Startup-Gründer in Sachen HR/Recruiting unbedingt beachten?
Um ehrlich zu sein, zu Beginn haben wir dem Thema viel zu wenig Beachtung geschenkt. Getrieben vom Drang nach schnellem Wachstum und natürlich auch von diversen Fördergeldern, haben wir zunächst einfach mal gehired, wie es sich eben ergeben hat. Unsere Zielgruppe waren Freunde von Freunden, Kollegen von der Uni etc.
Ein echtes Anforderungsprofil hat es damals nicht gegeben, einen strukturierten Bewerbungsprozess auch nicht. Erstaunlicherweise ist das bei uns gut gegangen. Dennoch rate ich jedem Gründer, sich vor den ersten Einstellungen folgende Fragen zu stellen:
Wer ist nötig– welche Personen brauche ich für welche klar definierten Rollen?Wie komme ich von der Mitarbeitersuche bis zur Einstellung?Sprich: Ein strukturierter Prozess muss her.
2
Strukturierte Prozesse entwickeln – auch im Recruiting
Gehen wir näher auf den Prozess ein – wie sieht dieser bei hokify aus?
Zuallererst erstellen wir ein detailliertes Anforderungsprofil, in dem wir definieren, welche Rollen die Person genau übernimmt, welche Vorqualifikationen sie mitbringen soll und – das haben wir aber allgemein für alle Mitarbeiter definiert – Werte, die der neue Kollege oder die neue Kollegin vertreten soll. Vor allem ist es uns wichtig, dass jemand schnell und gut im Lernen ist. Über die Zeit haben wir einfach gemerkt, dass man so wirklich alles erreichen kann – im Vergleich dazu spielen die Vorqualifikationen gar nicht so eine große Rolle.
Nachdem wir uns ausführlich mit dem Anforderungsprofil beschäftigt haben, erstellen wir ein Stelleninserat und veröffentlichen es auf passenden Jobplattformen – natürlich ist da immer auch hokify dabei. Gerade bei schwieriger zu besetzenden Rollen greifen wir auch gerne auf den LinkedIn Recruiter zurück.
Nach der Sichtung der Lebensläufe unserer Kandidaten gibt es zwei unterschiedliche Herangehensweisen:
- Handelt es sich um eine Junior-Position, stellen wir den Kandidaten eine kleine Aufgabe, die sie uns ausgearbeitet zurücksenden müssen. Anhand der Ergebnisse entscheiden wir, wer zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird.
- Bei Stellen mit Senior-Position stellen wir keine Aufgabe – stattdessen führen wir vor dem echten Vorstellungsgespräch einen informellen Call durch, in dem wir den Kandidaten überzeugen.
Auf die Einladung folgt ein dreistufiges Vorstellungsgespräch, nach dem meistens klar ist, wen wir einstellen werden. Ist noch etwas Überzeugungsarbeit notwendig, laden wir einen Kandidaten gerne auch mal zu einem zweiten Kennenlerngespräch ein, in dem wir ihm unsere Vision noch etwas näher bringen.
3
Das Team in den Bewerbungsprozess integrieren
Du hast von einem dreistufigen Vorstellungsgespräch gesprochen – wie darf man sich das vorstellen?
Im ersten Teil des Gesprächs leisten wir noch viel informelle Vorarbeit – wir erzählen dem Bewerber mehr über seine Rolle und auch Allgemeines über hokify, die Firmenkultur ist da natürlich auch ein Faktor. Dabei wollen wir vor allem falsche Vorstellungen seitens des Bewerbers aus dem Weg räumen.
Den zweiten Teil bildet wieder eine Aufgabenstellung oder strukturierte Fragen, die bei jedem Kandidaten gleich sind – schließlich ist es unser Ziel, aus jedem Gespräch klar messbare Ergebnisse mitzunehmen, anhand derer wir die Bewerber eindeutig vergleichen können.
Im dritten Teil des Bewerbungsgespräches kommt das jeweilige Team – oder zumindest Teile davon – dazu. Eine besondere Phase, denn hier stellen sich Kandidat und Team gegenseitig Fragen und entwickeln so ein Gefühl dafür, ob sich zwischen beiden ein Perfect Match anbahnen könnte. Nach dem Gespräch holen wir uns das Feedback vom Team – und das hat Entscheidungen schon oft stark beeinflusst.
Als Geschäftsführer kann es beispielsweise passieren, dass man sich aufgrund fachlicher Vorkenntnisse zu sehr auf einen Kandidaten versteift. Ein begründetes, negatives Feedback vom Team kann einem da schon die Augen öffnen.
Wie entscheidet ihr, welchen Bewerber ihr schlussendlich einstellt?
Zum einen haben wir natürlich das Ergebnis der Aufgabenstellung sowie die Vorkenntnisse – das sind Fakten anhand derer wir die Kandidaten eindeutig vergleichen können. Aber auch beim Team-Feedback zielen wir auf vergleichbare Fakten ab – nach dem Gespräch schicken wir eine WhatsApp-Nachricht an das Team aus und bitten die Mitglieder, den Kandidaten per Punkteskala in unterschiedlichen Bereichen zu bewerten.
Nehmen wir beides zusammen, so steht in den meisten Fällen eine eindeutige, nachvollziehbare Entscheidung. Wenn das nicht der Fall ist, kommt natürlich auch das Bauchgefühl hinzu. Das darf man nicht unterschätzen – wenn’s nicht passt, wird’s auch auf Dauer nicht passen.
4
Recruiting nicht an unerfahrene Mitarbeiter abgeben
Welche Erfahrungen hast du persönlich gemacht und welche Tipps würdest du heute geben?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man dem Thema Recruiting definitiv auf Geschäftsführungsebene Beachtung schenken muss! Persönlich würde ich das Recruiting nie an einen neu eingestellten Junior Recruiter übergeben – wir haben dafür übrigens noch immer keinen eigenen Mitarbeiter, obwohl unser Team bereits 40 Personen umfasst.
Recruiting sollte man nicht einfach an Mitarbeiter abgeben, die erst kurz im Haus sind und selbst auch nicht wirklich Zeit dafür haben. Klar lassen sich Aufgaben wie das Sourcing oder das Ausmachen von Gesprächsterminen leicht einmal abgeben – zum Führen der Gespräche und auch zur Entscheidung braucht es aber eine Person, die bereits länger im Haus ist – am besten von Anfang an – und die Firmenkultur wirklich lebt.
Außerdem, wie bereits angesprochen, rate ich dazu, ganz klare Strukturen in den Bewerbungsprozess zu bringen und sich mit der Frage zu beschäftigen, wen man konkret für welche eindeutigen Rollen braucht.
Ein schönes Zitat, das ich letztens gelesen habe: „Die beste Entscheidung beim Hiring ist es, niemanden einzustellen.” Heißt: Erst, wenn du dir zu 100 % sicher bist, für was eine Person Verantwortung übernehmen soll, solltest du sie auch einstellen. Stelle niemals einfach nur mehr Sales-Leute ein, um ein größeres Team zu zu haben. Den Fehler begehen leider viele Startups, die gerade gefundet wurden und ihr Team schnell erweitern wollen.
5
Die schnelle Integration ins Team ermöglichen
Gab es noch weitere wichtige Learnings – vielleicht auch im Bezug auf das Onboarding?
Klar! Das haben wir schnell festgestellt – Recruiting ist nicht vorbei, wenn ein Dienstvertrag unterschrieben wurde. Auch bei uns war es einige Zeit lang so, dass ein neuer Mitarbeiter plötzlich im Büro saß und wir erst einmal einen Laptop und eine E-Mail-Adresse einrichten mussten.
Heutzutage haben wir auch dafür klare Prozesse – 3 bis 4 Tage vor dem ersten Arbeitstag erhält der Mitarbeiter eine E-Mail mit einem konkret ausgearbeiteten Plan für die ersten, Tage, Wochen und Monate. Er erhält Infos zu hokify, zu seiner Rolle und zu den Skills, die er im ersten Monat lernt. Die Onboarding-Liste selbst ist dann innerhalb von 2 Stunden abgearbeitet.
Auch die schnelle Integration im Team ist uns wichtig – deshalb gibt es 1 bis 2 Wochen nach der Ankunft eines neuen Kollegen innerhalb seines Teams ein Onboarding-Bier oder ein Onboarding-Frühstück findet statt. Einmal im Quartal gibt es dann auch ein größeres Event für das ganze Team – beim letzten Mal ging es parallel zum Lasertag und zu Escape the Room.
Was übersehen Gründer oft?
Viele Gründer schenken dem Recruiting keine besondere Beachtung und stellen einfach mal Leute ein – ohne einen echten Zusammenhang zu den Business-Treibern herzustellen. Im Zentrum muss immer die Frage sein: „Wie soll eine Rolle zum Business-Erfolg beitragen?”
6
Vom Admin-Recruiting zum Marketing-Recruiting – unterstützt von Daten
Welche Erfahrungen bekommst du von deinen Kunden mit?
Vorweg: Ich beschäftige mich in meiner Rolle eher mit Enterprise-Kunden, für Startups bin ich persönlich nicht zuständig. Aber was ich mitbekomme, ist, dass viele Kunden noch immer viel zu wenig tracken. Sie schalten Stellenanzeigen auf Kanälen, weil sie dort immer schon Stellenanzeigen geschalten haben – dabei dürften sie dort aufgrund schlechter Ergebnisse schon lange nicht mehr unterwegs sein.
Was das betrifft, hat das Marketing dem Recruiting doch schon einiges voraus. Dabei müssen wir auch im Recruiting den Switch schaffen weg vom Admin Recruiting hin zum Marketing Recruiting.
Das betrifft übrigens auch die mobile Optimierung – ein Thema, das seit 5 Jahren medial breitgetreten wird. Diesbezüglich stellen einige Unternehmen noch immer etwas merkwürdige Anforderungen an Bewerber. Aber da gibt es auch eine positive Entwicklung, denn nach und nach begreifen mehr Unternehmen den Pain dahinter.
7
Dem Fachkräftemangel flexibel begegnen
Letzte Frage: Wie erlebt ihr bei hokify den Fachkräftemangel?
Fachkräftemangel ist immer auch eine regionale Angelegenheit – und darauf müssen sich Unternehmen einstellen. Es gibt Regionen, in denen sind selbst Positionen mit eher geringen Anforderungen schwierig zu besetzen – während ich in anderen Gebieten mit einem Stapel an Bewerbungen für die gleiche Position konfrontiert bin.
Unternehmen muss einfach bewusst sein, dass sie einen Spitzenkoch für eine Berghütte in Salzburg schwieriger finden, als für ein Restaurant in Wien. Das heißt, dass sie einerseits mehr Ressourcen für eine solche Besetzung aufbringen müssen – mit einer einfachen Anzeige für € 99 wird sich das Thema nicht erledigt haben – und andererseits auch die richtigen Bedingungen schaffen müssen. So schwierig das vielleicht sein mag – aber vielleicht muss man ganz einfach die Öffnungszeiten der Salzburger Berghütte anpassen, um den Wünschen der möglichen Kandidaten entgegenzukommen.
Unternehmen brauchen die notwendige Flexibilität und die richtigen, vielleicht auch mal anders denkenden Ressourcen – bei selten zu besetzenden Stellen kann es sinnvoll sein, externe Personaldienstleister hinzuzuziehen, die anders an die Vermarktung herangehen.
Wenn sich wirklich gar nichts ergibt – und das in großem Ausmaß – muss man vielleicht sogar zu drastischen Maßnahmen greifen und ein ganzes Produktionswerk in eine andere Region verlagern.
Generell rate ich Unternehmen, aktiv zu werden, auf vielen Kanälen unterwegs zu sein, sich attraktiv zu vermarkten – auch auf Company Events. Die Leute müssen sehen, was man als Arbeitgeber zu bieten hat – und dafür muss man auch die notwendigen Ressourcen frei machen. Dann kann man dem Fachkräftemangel entgegentreten.