Fachkräftemangel: Eine Ausrede für schlechtes Recruiting?

Alexandra Rupacher
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11. Mai 2021 Lesezeit 5 Minuten
Stolze 88 % der österreichischen Firmen melden einen leichten Fachkräftemangel, 46 % davon sind sogar stark betroffen. Per se keine brandneuen News, dennoch wirkt sich dieser anhaltende Zustand negativ auf den Arbeitsmarkt aus.

Inhalt

    Bei Recruitern hinterlässt die prekäre Situation an mangelnden Fachkräften ein großes Fragezeichen. Einerseits sind die Zahlen an Arbeitslosen so hoch wie schon seit Jahren nicht mehr, andererseits sinkt die Qualität der Bewerber stetig. Die Zahl der geeigneten bzw. ausreichend qualifizierten Kandidaten* auf dem Arbeitsmarkt ist zu gering. Beim Fachkräftemangel fehlen also vor allem Arbeitskräfte mit einer bestimmten gewünschten Qualifikation. Dass der Fachkräftemangel existiert ist Fakt und kein Geheimnis. Spielen wir einmal mit ein paar Hypothesen.

    • Kann es auch daran liegen, dass momentan zu wenig Fachkräfte beschäftigt sind und diese somit auch keine Fachkräfte finden?
    • Ist eventuell die Kurzarbeit zur Komfortzone geworden für Unternehmen?
    • Bekämpfen sich die „Big Player“ etwa gegenseitig?
    • Gibt es keinen Fachkräftemangel, sondern nur Amateur-Recruiting?

    Harter Tobak, wenn eine der Hypothesen ins Schwarze treffen sollte. Doch ist es wirklich so weit hergeholt, dass Fachkräfte immer mehr zur „Mangelware“ werden oder liegt es vielleicht auch daran, dass immer weniger Fachkräfte im Recruiting landen und die Qualität des Personalmanagements schleichend darunter leidet? Stichwort schlechtes Employer Branding und vernachlässigtes Recruiting?

    Übrigens: Wer mehr zur derzeitigen Lage des Fachkräftemangels 2021 hören will, wir haben die aktuelle Lage für Sie zusammengefasst!

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    Der Fachkräftemangel im Check: die IST-Situation in Österreich & Deutschland

    Ein Überblick über die betroffenen Branchen in Österreich:

    Diese Branchen betrifft der Fachkräftemangel in Österreich am meisten.

    In Deutschland ist ebenfalls das Handwerk (vor allem die Elektroinstallation und der Rohrleitungsbau) Spitzenreiter, wenn es um Fachkräftemangel geht. Dicht gefolgt von der Industrie und den MINT-Berufen, wo Ingenieure, Fahrzeug- und Maschinenbau sowie die Elektrotechnik dazu zählen. Als Schlussschlicht ist die IT und Softwarebranche sowie das Gesundheits- und Pflegewesen angesiedelt.

    Info
    MINT-Berufe sind aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, wo meist eine umfangreiche, jahrelange Ausbildung nötig ist. Und Branchen, die nach wie vor eher wenige Frauen anziehen. Beides trägt zum Mangel an Fachkräften bei.

    Warum der Fachkräftemangel gerne auch als bequeme Ausrede vorgeschoben wird und oftmals die Erwartungshaltung und der Branchenneid zwei ausschlaggebende Indikatoren für einen hausgemachten Mangel an richtigen Bewerbern sind, kann ein einfaches Praxisbeispiel aufzeigen:

    Praxisbeispiel

    So gibt beispielsweise ein deutsches Unternehmen seit Jahren an, akut an Fachkräftemangel (konkret an Ingenieursmangel) zu leiden. Rund 300 Stellen sind laut den Firmenbossen unbesetzt. Bei genauerer Analyse auch nicht verwunderlich, müssen Bewerber bei dieser Organisation beispielsweise gleich zehn Jahre an Berufserfahrung mitbringen. Somit mangelt es nicht an Fachkräften, sondern an Fachkräften mit jahrelanger Berufserfahrung. Nur wo soll die Berufserfahrung her, wenn einem nie die Chance zu einem Berufseinstieg geboten wird?

    Und da kommen nun die Recruiter ins Spiel. Sie haben die Möglichkeit, Unternehmen, Konzerne, KMUs, etc. davon zu überzeugen, geeignete Personen für die zu besetzenden Stellen zu finden. Manchmal sagt ein passenderer Cultural Fit oder das richtige Mindset eines Kandidaten mehr aus als viele Jahre an Berufserfahrung am Buckel zu haben.

    Doch woran liegt es wirklich, dass Unternehmen weniger Bewerbungen verzeichnen? Wir haben einige Firmen unter die Lupe genommen und mit Bewerbern gesprochen.

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    Vor der eigenen Haustüre kehren: Brand Awareness steigern

    Es gibt 1.000e von Gründe, warum ein Unternehmen keine guten bzw. geeigneten Fachkräfte findet.

    • unattraktive Angebote
    • ausdruckslose Stellenanzeigen
    • Zielgruppe verfehlt
    • eine low performance Karriereseite
    • Intransparenz
    • schlechtes Bewerbermanagement und Kommunikation
    • Ideenmangel (USPs, Services, Rahmenbedingungen)
    • veraltetes Personalmarketing
    • Unbekanntheit am Bewerbermarkt/kein ansprechendes Image
    • mangelnde Unternehmenskultur
    • schlechte Bezahlung/Benefits
    • Unwissenheit über Employer Branding
    • befristete Verträge
    • und vieles mehr …
    Viele verschiedene Punkte können dazu führen, dass ein Unternehmen zu wenig geeignete Fachkräfte findet.

    Wenn Sie einen oder sogar mehrere der oben genannten Gründe im eigenen Unternehmen ausmachen können oder Bedarf an Änderung sehen, sollten Sie auf jeden Fall dranbleiben.

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    So wird der Fachkräftemangel für Recruiter zu einer soliden Annahme statt bloßer Vermutung

    Wir behaupten einmal kühn, der vielbeschworene Fachkräftemangel ist auch ein Indikator für einen Bewegungsmangel von Unternehmen, Recruitern und schlussendlich auch von Entscheidungsträgern. Beginnend mit eindimensionalen, textüberladenen und unkreativen Stelleninseraten wird kaum eine Organisation Bewerber und vor allem Fachkräfte mit „Pfiff“ ansprechen. Lockern Sie das starre Korsett des Anforderungsprofils und geben Sie dem Ganzen mehr Spielraum. Vor allem raten wir aber Recruitern, jüngeren Fachkräften mit weniger Berufserfahrung, offenem Mindset und Formbarkeit Chancen einzuräumen und sich zu beweisen.

    Erfolgreiche Recruiter schaffen sich geeignete Optionen am Arbeitsmarkt, erkennen Chancen und vor allem ergreifen sie sie beim Schopf, wenn Sie vor einem sind.

    Tipp
    Es geht immer weniger darum, Stellen exakt nach Fähigkeiten zu besetzen als vielmehr darum, passende Talente für das Unternehmen bzw. den Auftraggeber zu gewinnen. Und dazu bedarf es einer Flexibilität und Umdenken von beiden Seiten: Organisation und Recruitern.

    Ihr möglicher Ausweg aus dem Fachkräftemangel? Ein „sich Mühe geben“ bei Stelleninseraten und das grundlegende Ändern von gewohnten Ist- und Lebensumständen innerhalb einer Organisation. Stecken Sie Ihr Anforderungsprofil etwas weiter ab, ergänzen Sie es um die Kategorie „Soft-Skills“ und lesen bzw. hören Sie auch zwischen den Zeilen bei den ersten Recruiting-Gesprächen. Sie werden überrascht sein, was Ihnen bislang an Informationen entgangen ist. Fragen Sie sich wer die Fachkräfte von heute sind, was sie ausmacht und was sie brauchen um zu wirken.

    Fakt ist: Fachkräfte erkennen Fachkräfte – das gilt auch für Bewerber. Sie erkennen sofort, ob die Recruiterin vom Fach ist oder ein Amateur. Vergessen Sie nicht, dass Sie als Recruiter der erste Kontakt zur gesuchten Fachkraft sind und Sie das gesamte Unternehmen repräsentieren.

    Tipp
    Vermeiden Sie als Recruiterin daher diese 5 Fehler im Bewerbungsgespräch.

    Fazit

    Existiert nun ein Fachkräftemangel oder gesellt sich gleich und gleich einfach nur gerne? Pauschalisieren wäre in diesem Fall der falsche Zugang. Ja, es gibt ihn, aber in vielen Fällen müssen Recruiter und Organisationen sich an der eigenen Nase nehmen und ihre Zugangsweise bzw. die Anforderungen neu überdenken und sich der aktuellen (demografischen) Lage anpassen. Eine Eierlegende Wollmilchsau ist halt schwer zu finden und das altbekannte Vitamin B, das in Österreich vorherrscht, wird keinen Obstkorb mit vielen bunten Sorten füllen.

    Spoiler-Alarm! Im nächsten Blogbeitrag geht es weiter mit unserer Mini-Serie zum Thema Fachkräftemangel. Seien Sie gespannt und erfahren Sie mehr, warum die Candidate Experience so unsagbar wichtig ist!

    * Um unsere Texte möglichst lesefreundlich zu gestalten, verzichten wir darin auf die gleichzeitige Verwendung von männlichen und weiblichen Sprachformen. Dennoch ist uns wichtig, dass sich alle von uns angesprochen fühlen. Daher verwenden wir die männliche und die weibliche Form im Wechsel. Damit sind immer alle anderen Formen gleichermaßen mitgemeint.

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